Wer die Neu-Ulm Spartans in der off-season begleitet, ist ein wenig von den Socken: Nach einem Dutzend Interviews mit Coaches und Spielern, bei denen der eine immer wieder den anderen über den Schellenkönig lobte und pries, wird erstmalig die bisher völlig ungetrübte Harmonie scheinbar durchbrochen: Ausgerechnet Robin Otto, ein absoluter Sympathieträger und stärkster Rückhalt des Teams, fragt: „Kann man hier auch mal auf den Trainer fluchen?“ Der Interviewer stutzt und gesteht es ihm neugierig zu. Robin: „Er quält uns!“ Und dann lacht er breit.
Also auch diese „Kritik“ ein absolutes Windei. Es ist schon erstaunlich. Der von vielen immer wieder erwähnte Team-Spirit ist wohl durch nichts zu erschüttern. Man ist platt, welche Harmonie in dieser Riesenhorde wilder Kerle offenbar herrscht. Trotz knallharter körperlicher Anstrengung wird viel gelacht; böse Worte sind nicht zu hören, allenfalls anspornendes Gebrüll. Auch im Gespräch mit dem neuen Quarterback-Coach Matthias Riedl und seiner vierköpfigen Quarterback-Crew, die er seit gut zwei Monaten auf die im April beginnende Saison vorbereitet, hagelt es gegenseitige Komplimente.
Fünf Jahre insgesamt hatte Matthias Riedl Jugendteams bei den Königsbrunn Ants und in der Bayernauswahl als Cheftrainer Jugendmannschaften gecoacht und dabei beachtliche Erfolge erzielt. Den hohen Zeitaufwand eines Headcoach aber kann er derzeit nicht leisten, weil er gerade sein Studium beendet und ein Referendariat angefangen hat. Er will Realschullehrer werden (Fächer: Sozialunde, Mathematik, Arbeitslehre und Sport). Die Aufgabe als Positionstrainer will er zwar auch keineswegs auf die leichte Schulter zu nehmen, aber: „Sie ist leichter zu schultern.“
Matthias Riedl: „Ich wollte zu einem Team, wo ich auch noch viel lernen kann und wo auch sonst alles stimmt. Bei den Spartans hat es gepasst: Das Coaching-Team ist top, ich finde eine tolle Quarterback-Crew vor, und auch der Vorstand macht, soweit ich das sehe, sehr gute Arbeit. Football ist mein Hobby; ich möchte dabei Spaß haben. Und den hab‘ ich hier.“ Dabei hatte er sich sorgfältig umgesehen, auch einige andere Teams unter die Lupe genommen. Mit der erklärten Nummer 1 auf der QB-Position bei den Spartans hat er sich sogar bei einem Essen getroffen.
Da vertiefte sich der Eindruck, den er bei der gemeinsamen Trainingsarbeit in der bayerischen Jugendauswahl gewonnen hatte: „Robin ist ein Super-Kerl. Er ist sehr talentiert, nimmt ungeheuer schnell auf und an. Hätte er früher schon Einzel-Coaching bekommen, wäre er der Top-Quarterback in Deutschland.“ Und mit Robin Otto sowie Maximilian Bär, Luca Daumenlang und Philipp Romberger hat er ein Quartett unter seinen Fittichen, mit dem er sehr gern arbeitet: „Das macht einen derartigen Spaß … da weiß man nach zwei Stunden: Es hat sich wieder gelohnt, von Augsburg nach Neu-Ulm zu kommen.“
Seine nominelle Nummer 1, Robin Otto (#7), gibt alle Komplimente zurück: „Der Coach ist ein lockerer Typ, einer, der genau hier reinpasst. Wir arbeiten seit November zusammen. Seitdem ist jede Menge vorwärts gegangen. Wir feilen kräftig an der Technik, und – was ich nie gedacht hätte – auch in Sachen Fitness lohnt es sich, gegenüber früher um einiges zuzulegen.“ Das Quartett bekommt auch „Hausaufgaben“. Ist es in der einen Woche ein Programm, um die Fitness zu steigern, sind es in der anderen Woche Aufgaben für den Kopf. Da gibt sich Otto etwas geheimnisvoll, will nicht allzu viel verraten. Schließlich steht der Quarterback der Spartans in scharfer Konkurrenz zu den QB der anderen Teams in der Liga, von denen etliche US-Importe sind.
Es geht aber offenbar um das sogenannte „Lesen“ des Spiels. In die Kerbe haut auch die Nummer 2 im Quartett, Max Bär. „Der Bonus, den uns Matthias verschafft: Wir kriegen mehr Spielverständnis, lernen das Spiel als Ganzes zu verstehen, sollen auf dem Feld vorausschauend erkennen, wie sich das komplexe Geschehen entwickelt.“ Das ist auch ein Grund, weshalb sich Max Bär danach gedrängt hatte, nach zwei Spielzeiten als Wide Receiver das Quarterback-Training mitzumachen. „Bei diesem speziellen Einzeltraining lernt man am meisten über Football, zumal bei einem Coach, wie wir ihn haben.“ Überhaupt bei den Spartans gelandet zu sein, empfindet er schon als Glücksfall, der sich durch den Beginn seines Studiums (im Moment 5. Semester Wirtschafts-Mathematik) an der Uni Ulm ergab. „Football ist sowieso meine Leidenschaft. Das hat bei mir absolute Priorität. Und dann - die Spartans! Deren Programm hier ist der Wahnsinn. Ich war von Anfang an begeistert.“
Max Bär hatte bisher Wide Receiver gespielt. Bei Luca Daumenlang ist es umgekehrt. Er hat, obwohl noch sehr jung, in seiner Football-Laufbahn etliche große Erfolge als Quarterback feiern dürfen. Jetzt trainiert er, wie Philipp Romberger, zwar in der Quarterback-Crew, wo beide gern gesehen sind, wird aber in der kommenden Saison als Wide Receiver auflaufen. Mancher, der Luca und seinen bisherigen Werdegang kennt, hat sich gewundert, dass er nach Neu-Ulm „gegangen“ ist und zwischen dieser neuen sportlichen Heimat und seinem Wohnort Nürnberg pendelt.
Was sagt Luca selbst? „Ich genieße meine Rolle bei den Spartans sehr! Ich mache genau das, was ich kann und gerne mache, und bin sehr glücklich, dass ich die Chance dazu bekomme. Freitags kann ich bei den Receivern mittrainieren, wo ich von Coach King noch eine Menge lerne, weil das ja auch die ‚ungewohntere‘ Position für mich ist.
Ich liebe meine QB-Kollegen. Philipp ist jetzt neu dabei, habe in ein, zwei Trainings mit ihm gearbeitet, netter Kerl, will besser werden! Rob habe ich quasi ins Herz geschlossen, als ich ihn bei den Warriors (Bayern-Auswahl) zum ersten Mal gesehen habe, supernetter Kerl und ein Laserarm, also wirft wirklich sehr hart und präzise! Max ist so ein harter Arbeiter, umgeschult vom WR zum QB, weil er den Sport besser kennenlernen möchte, hat eine SUPER Einstellung und gibt die auch als Jugendcoach weiter. Er wird von Training zu Training besser, klasse Typ! Matze erfüllt meine Erwartungen total. Jedes Training ist so hart mit ihm, wir müssen zu Hause extra Challenges machen, mentale sowie physische. Er verbessert mich, wenn ich Fehler mache, und hat gute Drills, auch einige neue, die ich noch nicht kannte. Wir haben zur Quarterback Position eine ziemlich ähnliche Einstellung, und es ist toll mit ihm zu arbeiten. Zudem mag ich ihn auch sehr als Mensch. Bin sehr zufrieden mit meiner QB-Unit . Auch wenn die 120 Liegestützen mit 360 mal Arme hoch und runter am Ende JEDEN Trainings wirklich anstrengend sind“.
Ob und wann man seine Qualitäten als QB bei den Spartans sehen wird und in welcher Art und Weise, das weiß er selbst nicht. Das macht ihm aber offensichtlich nix. Jedenfalls bekundet er unzweideutig: „Grade will ich es genauso haben, wie es ist.“ Tzzz … Wieder so ein Fundamentalsatz, der für den beinahe unglaublichen Teamspirit spricht.
Headcoach Daniel Koch ist natürlich absolut zufrieden, wie es bei den Quarterbacks um Robin Otto mit Matthias Riedl läuft. Ob er sich das so erträumt hat? Er ist jedenfalls froh, dass er diese Konstellation zustande gebracht hat.
Foto (von links): Philipp Romberger, Robin Otto, Max Bär, Luca Daumenlang, Matthias Riedl.